Sopron-Mudis

Die „S-Klasse“ unter den Mudis

  

Die sogenannte „S-Klasse“ sind Mudis und andere Rassen sowie deren Mischlinge, die aus einer Massenhaltung, bzw. Vermehrungsstätte in der ungarischen Stadt Sopron stammen. Diese Hunde sind im März 2006 aus ihrem Elend befreit worden. Über 30 Sopron-Hunde leb(t)en in Deutschland. Wir wollen hier zum einen über die Hintergründe berichten, aber natürlich besonders über das neue Leben unserer S-Klasse erzählen. Sie sind einfach ganz besondere Hunde 😉

Zuerst aber: wir möchten hier weder eine Nation noch einen einzelnen Menschen anklagen! Die Missstände, die auf einem Grundstück in Sopron geherrscht haben und leider über Jahre gewachsen sind, können überall passieren und sind in ähnlicher Form auch schon in Deutschland bekannt geworden!

Was ist in Sopron passiert?

Die Chef-Redakteurin des ungarischen Tier-TV-Senders Ebugatta erhielt im Februar 2006 folgenden Zuschauer-Brief und machte damit die Öffentlichkeit und die Tierschutzwelt aufmerksam:

„Ich schreibe Ihnen, weil ich hilflos bin und nicht weiß, an wen ich mich sonst wenden soll, nachdem ich heute eine schreckliche Entdeckung gemacht habe. Es kam dazu, weil die beiden Hunde einer Freundin verschwunden waren und wir sie suchten. Wir hatten von einem Mann gehört, der mehr als 100 Hunde auf einem Weinberg halten sollte und wir hofften, er könne uns weiterhelfen. Wir gingen dorthin und fanden dort furchtbare Zustände vor. Ich bin immer noch geschockt vom Anblick so vieler Hunde an Ketten – in entsetzlichen Zuständen! Wir sahen hauptsächlich ungarische Rassen, Vizslas, Kuvasz and über 80 Mudis und ihre Inzucht-Nachkommen. Überall Hunde, Abfälle auf der Erde als Futter, tote Hundekörper auf den Hütten! Mir graut sogar davor, dass zu schreiben…“

Die Redakteurin weiter:
Es gab etliche Meldungen von den Anwohnern und Nachbarn, aber nichts geschah um diese Tiere zu retten. Wir haben zusammen mit einem Ethologen, einem Tierarzt, mit Vertretern von Rasse-Klubs und einem TV-Team das Grundstück besichtigt und wurden Zeuge dieser schrecklichen Zustände. Keiner der Hunde hatte Trinkwasser zur Verfügung, sie waren an 20-30 cm langen Ketten angebunden, ohne Unterschlupfmöglichkeit. Der Boden war 30-40 cm hoch voller Matsch. Ihr Futter bestand aus Küchenabfällen im Dreck und sie tranken ihren eigenen Urin.

Die Rettung

Die Polizei handelte dann schnell und sie machten eine Hausdurchsuchung, bei der sie 61 Hundekadaver in Gefriertruhen fand.

Während des Polizeieinsatzes haben wir mithilfe der Medien, Journalisten und Tierfreunden versucht, die Tiere aus diesen furchtbaren Zuständen zu retten. Das alles hat 4 Jahre zuvor begonnen und einigen Berichten der Anwohner und des Tierschutzbeauftragten zufolge haben die Ämter in Sopron den Fall als geringfügigen Verstoß abgetan.

Der zustände Amtsleiter hatte gesagt, die Hunde seien alle geimpft und die Haltungsbedingungen seien zufrieden stellend, nichts würde eine Schließung dieser Anlage rechtfertigen…

Die noch lebenden 208 Hunde wurde beschlagnahmt und nach erster tierärztlicher Notversorgung gechipt, fotografiert und registriert in ganz Ungarn auf sämtliche Tierheime verteilt.

Hier ein paar von den Bildern der Räumung – wir haben die harmloseren Fotos ausgewählt!

 
Ö. wurde angezeigt, jedoch dauerte der Prozess insgesamt über ein Jahr, in dem die Tiere nicht weiter vermittelt werden durften. Leider hatte der Angeklagte tatsächlich „Gutachter“ (darunter anerkannte Züchter und Tierärzte), die zu seinen Gunsten ausgesagt haben und den Vorwurf der Tierquälerei ins Wanken brachten. Kurzfristig sah es im November 2006 sogar aus, als würden die Hunde ihrem Besitzer zurückgegeben werden. Glücklicherweise kam es nicht dazu und er wurde sogar zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und zu einer Geldstrafe. Seit Ende April 2007 sind die Hunde freigegeben. Für ungarische Verhältnisse war dies ein Meilenstein im Tierschutz!

Ö. war in früheren Jahren ein FCI-anerkannter Züchter, jedoch hatte er wohl seine Zulassung verloren, als die Zustände auf seinem Grundstück zunehmend bekannt wurden. Schon im Jahr 2004 versuchten Züchter und Hundefreunde vergebens bei den Behörden etwas gegen diese tierschutzwidrige Haltung zu bewirken.

Das hinderte Ö. aber nicht an der Massenvermehrung, die er auf seinem Grundstück unter dem Deckmantel der „Neuschaffung“ einer „perfekten ungarischen Hunderasse“ abhielt. Zum einen kreuzte er vornehmlich Mudis mit anderen ungarischen Rassen wie dem Magyar Agar – daraus entstand dann der „Mugar“, genauso versuchte er sich an einer Kreuzung zwischen Mudi und Kuvasz – und zum anderen hat er in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern einer Universität den Zusammenhang zwischen dem Albino-Gen und dem Merle-Faktor erforschen wollen. Diese Ergebnisse wurden dann auch tatsächlich in einem Agrar-Magazin veröffentlicht.

Dass es bei der Masse von Hunden nicht mehr möglich ist, auch nur annähernd artgerechte Haltungsbedingungen zu erfüllen, dürfte auf der Hand liegen. Verschimmeltes, kaum identifizierbares Futter war überall zu finden. Die Hunde waren teilweise absolut schutzlos allen Witterungsbedingungen ausgeliefert und natürlich vielfach schrecklich krank und unversorgt. Ernährt wurden sie nach Aussage von Ö. hauptsächlich mit Essensabfällen aus Restaurants, da diese nach Ungarns EU-Beitritt nicht mehr an Schweine verfüttert werden durften. Seine merkwürdige Einstellung zur Wasserversorgung entnahm er seinen Erfahrungen als Sportler: Die Hunde sollten lernen, nur zu bestimmten Zeiten Wasser zur Verfügung zu haben, damit sie nicht einen Hitzschlag erleiden, wenn sie im Sommer ihren Wassernapf umkippten. 

Das Leben nach der Hölle

Selbst wenn Verletzungen und Entzündungen ausheilen können – was bleibt, ist die Angst der Hunde! Mangels entsprechender Sozialisierung auf Menschen und diverse Umweltreize, bestehen bei allen Sopron-Hunden unterschiedlich große Defizite im „normalen“ Leben. Die wenigsten Tiere haben jemals etwas anderes als dieses Grundstück gesehen oder auch nur andere Menschen kennen gelernt.

Im November kamen die ersten Sopron-Hunde als Notfälle nach Deutschland – bei ihnen bestand der dringende Verdacht, dass sie den weiteren Aufenthalt in den Tierheim kaum überstehen würden, denn sie litten ganz massiv unter den neuen Eindrücken, mit denen sie regelrecht überflutet wurden. Es gab einige Hunde, bei denen sich die Betreuer fragen mussten, ob es mit dem Tierschutzgedanken vereinbar ist, sie weiter diesem Stress auszusetzen, denn manche Hunde trauten sich nicht mal Nahrung aufzunehmen geschweige denn ihre Transportbox oder die Ecke, in der sie Zuflucht suchten, freiwillig zu verlassen. Die erste Zeit stand förmlich Zwangsernährung auf dem Programm und dank der unerschütterlichen Hoffnung und endlosen Geduld der Tierfreunde, stellten sich erste Erfolge ein und nach und nach erwachten die Hunde aus ihrer Starre.

Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass sich alle Mühe und Geduld lohnt und sehr vieles machbar ist, von dem man anfangs nicht mal zu träumen wagte, allerdings sollte man seine Erwartungen an einen Sopron-Hund vor dem Hintergrund sehen, dass es zunächst vielleicht nur in winzig kleinen Schrittchen aufwärts geht – aber eine Verbesserung ist in fast allen Fällen möglich!